Einleitung: Zwischen Mythen und Realität
Wenn du dich intensiver mit dem Optionshandel beschäftigst, wirst du früher oder später auf eine oft zitierte Aussage stoßen: „Gerollte Trades binden Kapital und blockieren potenziell lukrativere Chancen.“ Klingt logisch – aber stimmt das wirklich? In diesem Beitrag nehmen wir diese Behauptung unter die Lupe. Du bekommst eine strukturierte Analyse, praxisnahe Einblicke in ein Kapitalmanagement-Modell und erfährst, wie du Rollings strategisch einordnen solltest – zwischen Risikobegrenzung, Opportunitätskosten und echter Rendite.
1. Was bedeutet „Rollen“ im Optionshandel wirklich?
Rollen bezeichnet den Vorgang, bei dem du eine bestehende Optionsposition (z. B. einen Short Put) vor dem Verfall schließt und gleichzeitig eine neue Position mit späterem Verfallsdatum (und oft verändertem Basispreis) eröffnest. Ziel ist nicht, sofort einen Gewinn zu realisieren, sondern Zeit zu gewinnen, um eine ungünstige Kursbewegung auszusitzen – etwa bei Seitwärts- oder Abwärtsphasen.
Das Rollen ist somit ein zentrales Werkzeug im defensiven Optionshandel, ersetzt aber keine Verluststrategie durch eine Gewinnstrategie. Es verschiebt lediglich das Risiko – mit der Hoffnung auf Besserung.
2. Kapitalallokation im Optionsdepot – ein erprobtes Modell
Ein effizientes Depotmanagement bedeutet, nicht alles Kapital gleichzeitig zu investieren, sondern gezielt in verschiedene Funktionen zu gliedern. Das hier vorgestellte Modell basiert auf realen Erfahrungswerten und unterteilt dein Gesamtkapital in drei Teile:
🔹 20 %: Gerollte Trades (Verlustvermeidung)
Kapital, das aktuell in „verunglückten“ Trades steckt. Es wird nicht mehr produktiv verzinst, sondern dient dem Ausgleich vergangener Fehlentwicklungen. Im Idealfall gelingt ein neutraler Ausstieg (Break-even) – echte Rendite gibt es hier jedoch nicht.
Trotzdem bringt dieser Bereich psychologischen Mehrwert: Er beruhigt das Depot und verhindert Panikverkäufe.
🔹 50 %: Aktive Gewinntrades (Renditetreiber)
Das Herzstück deines Handels. Dieses Kapital ist in frische, vielversprechende Optionen investiert, mit dem Ziel einer positiven Wertentwicklung. Wenn du hier z. B. 30 % p. a. erwirtschaftest, ergibt sich daraus dein echter Renditefaktor.
🔹 30 %: Cash-Reserve (Sicherheitsanker)
Dieser Teil bleibt uninvestiert. Er dient dir als Puffer für Margin Calls, Rollkosten oder spontane Chancen am Markt. Gerade in volatilen Phasen bewahrt dich diese Liquidität vor Zwangsliquidationen oder emotionalem Overtrading.
In Zeiten höherer Tagesgeldzinsen stellt sich allerdings zunehmend die Frage, ob „Nicht-Investieren“ noch sinnvoll ist – ein klassisches Dilemma der Opportunitätskosten.
3. Rendite richtig berechnen: Nicht alle Euro arbeiten gleich
Ein häufiges Missverständnis im Optionshandel ist die Annahme, dass alle Mittel im Depot automatisch zur Rendite beitragen. Das stimmt so nicht.
Nur der Teil deines Kapitals, der produktiv in Gewinntrades investiert ist, erwirtschaftet Ertrag.
Beispielrechnung mit dem obigen Modell:
- 50 % deines Depots bringen 30 % p. a.
- Das ergibt 0,5 × 30 % = 15 % Gesamtrendite auf das Depot.
Wichtig: Verluste durch gerollte Trades werden durch das Rolling neutralisiert, aber nicht in die Rendite eingerechnet. Sie sind quasi „verlorene Zeit“. Cash wiederum sichert das Depot, trägt aber ebenso nichts zur Rendite bei – zumindest nicht direkt.
4. Risiken und Opportunitätskosten – was du nicht unterschätzen solltest
Kapitalbindung durch Rolling
Sobald du rollst, ist Kapital langfristig blockiert. Es steht weder für neue Chancen zur Verfügung, noch erwirtschaftet es aktiv Gewinn. Das kann auf Dauer die Dynamik deines Tradings erheblich bremsen – insbesondere, wenn du oft und tief in Roll-Kampagnen verstrickt bist.
Cash kostet – besonders bei steigenden Zinsen
Was in Nullzinszeiten noch als strategische Reserve glänzte, wird mit jeder Zinserhöhung zum Renditefresser. Opportunitätskosten entstehen, wenn du Geld ungenutzt herumliegen lässt, während sichere Alternativen wie Tagesgeld oder Staatsanleihen attraktive Verzinsung bieten.
Trügerische Sicherheit durch Rollen
Nicht jeder Roll-Vorgang endet gut. Extreme Marktbewegungen (z. B. Flash-Crashs, geopolitische Schocks) können aus einer temporären Korrektur eine langjährige Verlustphase machen.
Zu glauben, dass jeder Roll sich irgendwann „erholt“, ist gefährlich optimistisch. Daher sollte Rollen Teil deines Risikomanagements, aber nie dein Rettungsanker sein.
Individuelle Quoten ≠ Universelle Wahrheit
Die hier gezeigten 20/50/30-Prozentsätze basieren auf realen Erfahrungswerten – sie sind aber nicht allgemeingültig. Dein Stil, deine Underlyings und die aktuelle Marktphase beeinflussen, wie du dein Kapital aufteilst. Regelmäßige Überprüfung und Anpassung sind Pflicht!
5. Fazit: Kluges Kapitalmanagement braucht mehr als Hoffnung
Effizienter Optionshandel lebt vom Bewusstsein über die Funktion deines Kapitals. Du solltest genau wissen, wofür welcher Euro arbeitet – oder eben nicht arbeitet.
- Rollen hilft dir, Verluste zu vermeiden – es bringt aber keinen Gewinn.
- Cash sichert deine Flexibilität – kostet aber Rendite.
- Nur Gewinntrades erzielen echte Performance – und sollten deshalb im Fokus deines aktiven Managements stehen.
Nutze deine Erfahrungswerte, um dein System zu optimieren – aber vermeide starre Rezepte. Der Markt verändert sich, und dein Kapitalmanagement sollte flexibel genug sein, um mitzuhalten.
Schlussgedanke: Deine wichtigste Position ist Disziplin
Erfolgreicher Optionshandel ist keine mathematische Formel, sondern ein dynamisches Zusammenspiel aus Disziplin, Risikokontrolle und realistischer Erwartung. Rollen ist ein Werkzeug – kein Allheilmittel.
Halte deine Strategien sauber, deine Ziele klar und dein Kapital strukturiert. Dann wird dein Depot nicht nur wachsen, sondern auch stürmische Zeiten überstehen.
Haftungsausschluss und Risikohinweis
Die in diesem Artikel enthaltenen Analysen und Informationen basieren auf Quellen, die ich für zuverlässig halte. Trotz sorgfältiger Prüfung erfolgt die Weitergabe dieser Angaben ohne Gewähr.
Jede Entscheidung zum Kauf oder Verkauf von Finanzinstrumenten liegt in der alleinigen Verantwortung des Lesers. Der Handel mit Optionen ist mit erheblichen Risiken verbunden. Vergangene Erträge bieten keine Garantie für zukünftige Gewinne. Beim spekulativen Handel mit Optionen kann es zu einem vollständigen oder teilweisen Verlust des eingesetzten Kapitals kommen.
Ich übernehme keine Haftung für Vermögensschäden, die dadurch entstehen, dass die Inhalte dieses Artikels als Grundlage für eigene Anlageentscheidungen herangezogen werden. Handeln Sie nur mit Kapital, dessen Verlust Sie sich leisten können. Machen Sie sich mit sämtlichen Risiken des Finanzhandels vertraut.
Stillhaltergeschäfte können zu Nachschusspflichten führen – also zu Verlusten, die über das ursprünglich eingesetzte Kapital hinausgehen. Es wird daher ausdrücklich davon abgeraten, Anlagegelder auf wenige Empfehlungen zu konzentrieren oder Investitionen mit Krediten zu finanzieren.
Der Anteil einzelner Optionskontrakte sollte 10 % des für den Optionshandel vorgesehenen Kapitals nicht überschreiten. Für die Teilnahme am Optionshandel ist die Börsentermingeschäftsfähigkeit erforderlich.
Die in diesem Artikel dargestellten Finanzanalysen ersetzen keine individuelle Anlageberatung und stellen keine Anlageberatung im Sinne des § 32 KWG dar.