Egal wie viel Erfahrung du mit Optionen hast – früher oder später wird ein Trade gegen dich laufen. Das ist ganz normal. Denn an der Börse kannst du noch so viele Wahrscheinlichkeiten durchrechnen: Der Markt geht am Ende doch oft seinen eigenen Weg.
Aber im Gegensatz zum klassischen Aktienkauf bietet dir der Optionshandel flexible Werkzeuge, um auf solche Entwicklungen zu reagieren – eines davon ist das Rollen von Optionen. Damit kannst du entweder Verluste abfedern oder sogar neue Gewinnchancen schaffen. In diesem Beitrag zeige ich dir, wie das genau funktioniert und wie du das Rollen in verschiedenen Situationen klug einsetzt.
Was bedeutet „Rollen“ im Optionshandel?
Beim Rollen passt du eine bestehende Optionsposition an die Marktbewegung an. In der Regel schließt du deine aktuelle Option und eröffnest sofort eine neue – oft mit einem anderen Verfallsdatum und/oder einem anderen Basispreis, aber auf denselben Basiswert.
Das Rollen kommt meist dann ins Spiel, wenn du als Stillhalter (also Short-Position) unterwegs bist – sei es bei einem Covered Call, einem Cash-Secured Put oder einem Spread.
Du kannst mit dem Rollen:
- eine drohende Ausübung vermeiden
- Verluste begrenzen
- Zeit gewinnen, damit sich der Trade wieder in deine Richtung entwickelt
- und manchmal sogar zusätzliche Prämien einstreichen
Aber Achtung: Rollen ist kein Allheilmittel. Es verschafft dir Zeit, aber keine Garantie. Wenn die Aktie konsequent gegen dich läuft, kann das Rollen zu einem zähen Spiel werden.
Beispiel 1: Covered Call rollen
Du besitzt 100 Aktien von XYZ und hast einen Call mit Strike 50 € und 45 Tagen Laufzeit verkauft. Zum Zeitpunkt des Verkaufs stand die Aktie bei 48 €, du hast dafür eine Prämie von 1,10 € kassiert – also 110 €.
Kurz vor dem Verfall steht die Aktie nun bei 52 €. Eine Ausübung droht. Wenn du nicht zum Strike von 50 € verkaufen willst, musst du handeln: Du kaufst die alte Call-Option zurück (sie kostet jetzt z. B. 2,20 €) und verkaufst stattdessen eine neue mit einem höheren Strike (z. B. 54 €) und längerer Laufzeit (z. B. 60 Tage), für die du z. B. 2,35 € erhältst.
Deine Bilanz:
- Rückkauf alte Call-Option: –2,20 €
- Verkauf neue Call-Option: +2,35 €
- Netto-Einnahme beim Rollen: +0,15 € (15 €)
- Gesamt vereinnahmte Prämie: 1,10 € + 0,15 € = 1,25 € (125 €)
Du hast also trotz gegenteiliger Kursbewegung nicht nur die Position gerettet, sondern sogar mehr Prämie erzielt als ursprünglich geplant – und das bei einem höheren Strike, also mehr Gewinnpotenzial im Fall einer Ausübung.
Aber klar: Jetzt hast du 60 Tage Zeitrisiko, in denen sich der Kurs erneut gegen dich bewegen kann. Und irgendwann ist vielleicht kein gutes Rollverhältnis mehr erreichbar – dann musst du die Ausübung akzeptieren. Da du die Aktie aber sowieso besitzt, ist das verkraftbar.
Beispiel 2: Cash-Secured Put rollen
Angenommen, du hast einen Put mit Strike 50 €, 45 Tagen Laufzeit und einer Prämie von 0,80 € verkauft. Der Kurs der Aktie fällt von 51,50 € auf 49 €. Eine Ausübung steht bevor: Du müsstest 100 Aktien zu 50 € kaufen.
Willst du das vermeiden, rollst du:
- Rückkauf alter Put für z. B. 1,45 €
- Verkauf neuer Put mit Strike 47,50 €, Laufzeit 90 Tage, Prämie 1,60 €
Bilanz:
- Netto-Einnahme beim Rollen: +0,15 € (15 €)
- Gesamt vereinnahmte Prämie: 0,80 € + 0,15 € = 0,95 € (95 €)
Die neue Position ist günstiger (Strike bei 47,50 € statt 50 €) – falls du also ausgeübt wirst, bekommst du die Aktie noch günstiger. Und du hast insgesamt eine höhere Prämie kassiert. Das Rollen hat sich gelohnt – solange die Aktie nicht weiter drastisch fällt.
Beispiel 3: Rollen eines Bear Call Spreads
Du rechnest mit fallenden Kursen und eröffnest einen Bear Call Spread:
- Short Call: 65 €
- Long Call: 70 €
- Prämie: 1,00 € (100 €)
Doch die Aktie steigt auf 66,50 €. Der Spread kostet nun 1,70 € (–70 € Verlust). Du entscheidest dich zum Rollen:
- Neuer Spread: Short Call 70 €, Long Call 75 €, Laufzeit 60 Tage
- Neue Prämie: 1,05 €
Bilanz:
- Verlust aus Rückkauf: –1,70 €
- Prämie neuer Spread: +1,05 €
- Netto: –0,65 €
- Gesamt vereinnahmt: 1,00 € – 0,65 € = 0,35 € (35 €)
Immer noch ein Gewinn, wenn auch geringer als geplant – aber du hast die Position gerettet und gibst dir eine neue Chance.
Tipps aus der Trader-Praxis
1. Zeit ist Risiko – wähle möglichst kurze Laufzeiten
Je kürzer die Laufzeit deiner neuen Option, desto weniger Zeit hat die Aktie, sich erneut gegen dich zu entwickeln. Rollen bedeutet nicht „Zeit gewinnen um jeden Preis“.
2. Sei konservativ, nicht gierig
Es ist schon ein Erfolg, wenn du mit der neuen Position den Verlust der alten ausgleichen kannst. Höhere Gewinne sind ein Bonus, kein Muss.
3. Frühzeitig reagieren
Wenn du siehst, dass sich die Aktie dem Strike nähert, kannst du auch präventiv rollen, bevor die Option ins Geld läuft. So bekommst du meist bessere Kurse beim Rückkauf.
4. Nutze Kombi-Trades
Viele Broker ermöglichen es dir, das Schließen und Eröffnen in einem Kombi-Order als Spread durchzuführen. Das spart bei einigen Brokern Transaktionskosten und ist effizient.
Fazit: Rollen als Option auf neue Chancen
Das Rollen ist eines der spannendsten Werkzeuge im Optionshandel. Es erlaubt dir, mit Disziplin und Strategie selbst aus schwierigen Situationen das Beste zu machen. Du schützt damit deine Positionen – oder holst sogar mehr heraus, als du ursprünglich erwartet hattest.
Aber: Rollen ist kein Zaubertrick. Du brauchst ein gutes Gefühl für Marktbewegungen, die Bereitschaft zu handeln und musst auch akzeptieren können, wenn eine Position einfach nicht zu retten ist.
Mit der richtigen Herangehensweise wird dir das Rollen helfen, deine Trades flexibler, robuster und profitabler zu gestalten. Ich persönlich nutze es regelmäßig – nicht nur zur Schadensbegrenzung, sondern oft sogar zur Optimierung meiner Positionen.
Wenn du das einmal verinnerlicht hast, wird dir der Optionshandel noch viel mehr Freude machen.
Haftungsausschluss und Risikohinweis
Die in diesem Artikel enthaltenen Analysen und Informationen basieren auf Quellen, die ich für zuverlässig halte. Trotz sorgfältiger Prüfung erfolgt die Weitergabe dieser Angaben ohne Gewähr.
Jede Entscheidung zum Kauf oder Verkauf von Finanzinstrumenten liegt in der alleinigen Verantwortung des Lesers. Der Handel mit Optionen ist mit erheblichen Risiken verbunden. Vergangene Erträge bieten keine Garantie für zukünftige Gewinne. Beim spekulativen Handel mit Optionen kann es zu einem vollständigen oder teilweisen Verlust des eingesetzten Kapitals kommen.
Ich übernehme keine Haftung für Vermögensschäden, die dadurch entstehen, dass die Inhalte dieses Artikels als Grundlage für eigene Anlageentscheidungen herangezogen werden. Handeln Sie nur mit Kapital, dessen Verlust Sie sich leisten können. Machen Sie sich mit sämtlichen Risiken des Finanzhandels vertraut.
Stillhaltergeschäfte können zu Nachschusspflichten führen – also zu Verlusten, die über das ursprünglich eingesetzte Kapital hinausgehen. Es wird daher ausdrücklich davon abgeraten, Anlagegelder auf wenige Empfehlungen zu konzentrieren oder Investitionen mit Krediten zu finanzieren.
Der Anteil einzelner Optionskontrakte sollte 10 % des für den Optionshandel vorgesehenen Kapitals nicht überschreiten. Für die Teilnahme am Optionshandel ist die Börsentermingeschäftsfähigkeit erforderlich.
Die in diesem Artikel dargestellten Finanzanalysen ersetzen keine individuelle Anlageberatung und stellen keine Anlageberatung im Sinne des § 32 KWG dar.