Nach dem Allzeithoch kommt oft der Absturz – Mythos oder Statistik?

„Nach einem Allzeithoch kommt für 80 % der Anleger ein dickes Minus – sofort danach.“
Mit dieser provokanten Behauptung startet ein Text von Jens Rabe, einem bekannten Börsen-Coach, dem ich auch immer wieder folge. Die Grundthese: Viele Anleger gewinnen in Haussephasen rein zufällig, verwechseln Glück mit Können und verlieren danach wieder schnell. Doch wie viel davon ist Beobachtung, wie viel Verkaufsrhetorik, und was sagen Daten und Forschung dazu?


Was steckt hinter der Behauptung?

Der Kern des Textes ist weniger eine exakte Statistik, als vielmehr eine psychologische Diagnose: Die meisten Privatanleger kaufen am Höhepunkt der Euphorie („gerade noch rechtzeitig“) und verkaufen zu früh oder zu spät. Dieses Verhalten nennt man in der Behavioral-Finance-Forschung „Prozyklisches Investieren“ oder „Herding Behavior“.
Das ist tatsächlich gut dokumentiert:

  • DALBAR-Studien (USA, jährlich aktualisiert) zeigen, dass Privatanleger im Schnitt Renditen erzielen, die deutlich unter der Marktrendite liegen – oft, weil sie in guten Phasen zu spät kaufen und in schlechten zu früh verkaufen.
  • Eine 2022 veröffentlichte Analyse von Morningstar bestätigt: Anleger, die Fonds aufgrund vergangener Performance kaufen, liegen oft falsch, weil die Performance danach schwächelt.
  • Historische Beispiele wie die Dotcom-Blase (1999/2000) oder der Krypto-Hype 2021 zeigen, dass viele Privatanleger am Ende des Booms einsteigen – und Kursverluste im Anschluss oft zweistellig ausfallen.

Ist die 80 %-Zahl realistisch?

Die im Text genannte Zahl („80 % der Anleger verlieren nach einem Allzeithoch“) ist in dieser konkreten Form nicht durch eine repräsentative Studie belegt. Es gibt keine globale Untersuchung, die exakt diesen Prozentsatz misst.
Was es aber gibt:

  • SPIVA-Reports (Standard & Poor’s) zeigen regelmäßig, dass ein Großteil der Anleger – aktiv wie passiv – den Markt langfristig unterperformt.
  • Verhaltensstudien der University of California (Barber & Odean) belegen, dass zu häufig handelnde Privatanleger signifikant schlechter abschneiden, oft wegen emotional motivierter Käufe/Verkäufe.

Daraus lässt sich ableiten: Ja, ein sehr hoher Anteil der Anleger macht nach euphorischen Hochpunkten Verluste – ob es genau 80 % sind, ist eher eine prägnante rhetorische Zuspitzung als eine wissenschaftlich exakte Zahl.


Psychologie als Hauptursache

Der Text benennt einige typische Denkfehler:

  1. Recency Bias – Man glaubt, dass das, was gerade passiert (steigende Kurse), auch so weitergeht.
  2. Fear of Missing Out (FOMO) – Der Einstieg erfolgt spät, getrieben von der Angst, etwas zu verpassen.
  3. Loss Aversion – Verluste werden stärker empfunden als Gewinne, was zu hektischen Verkäufen führt.
  4. Overconfidence Bias – Glaube, die Märkte verstanden zu haben, nur weil man in einer Hausse Geld verdient.

Diese Effekte sind in der Börsenpsychologie gut dokumentiert und erklären, warum Anleger immer wieder in die gleichen Fallen tappen.


Strategie statt Zufall

Rabe schlussfolgert: Ohne „funktionierenden Handelsplan“ ist Börsenerfolg pures Glück. Das deckt sich mit der Erkenntnis vieler professioneller Investoren: Erfolgreiches Investieren besteht nicht darin, jedes Hoch oder Tief exakt zu timen, sondern aus einem disziplinierten Vorgehen, das Risiken kontrolliert und Renditeerwartungen realistisch hält.

Beispiele für solche Strategien:

  • Systematisches Rebalancing (Portfolio regelmäßig ins Gleichgewicht bringen)
  • Klare Ein- und Ausstiegssignale (Technische Analyse oder fundamentale Kriterien)
  • Langfristiges Buy-and-Hold mit Fixregeln für Gewinnmitnahmen

Fazit und Einordnung

Die Kernaussage „Nach einem Allzeithoch verlieren 80 % der Anleger Geld“ ist zwar pointiert und plakativ, spiegelt aber eine reale Tendenz wider: Viele Privatanleger agieren emotional statt strategisch – und fallen damit in wiederkehrende Verhaltensmuster, die sie Rendite kosten.

Allzeithochs sind dabei nicht automatisch ein Warnsignal, wohl aber ein Moment, in dem Euphoriepegel und Risiko steigen. Wer in solchen Phasen ohne Plan handelt, betreibt – wie Rabe richtig bemerkt – eher Glücksspiel als Investieren.

Der Schlüssel liegt nicht im Vermeiden von Hochpunkten, sondern darin, mit einer klaren Methodik zu entscheiden, wann, wie und warum man im Markt ist – und wie man im Verlustfall reagiert.


💡 Merke: Nicht das Allzeithoch ist die Gefahr – sondern das Handeln ohne Kompass.


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Die in diesem Artikel dargestellten Finanzanalysen ersetzen keine individuelle Anlageberatung und stellen keine Anlageberatung im Sinne des § 32 KWG dar.

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